Der Entwicklungspsychologe Martin Tomasik und sein Team an der Universität Zürich (UZH) hatten Glück im Unglück. Eigentlich hatten sie Anfang des Jahres insgesamt 28’685 Deutschschweizer SchülerInnen von der 3. Klasse bis zur 3. Sek. Fragen zu am PC für eine andere Studie zum Thema Lernkurve beantworten lassen. Als das ganze Land aber aufs Fernlernen wechselte, haben die Forscher die Initiative ergriffen und die gleichen SchülerInnen nach etwas Zeit im “Lockdown” erneut auf deren Lernkurven getestet. Die Ergebnisse bestätigen, was vielseitig bereits vermutet wurde: insbesondere Primarschulkinder haben sich den Schulstoff im Lockdown deutlich langsamer angeeignet als davor.
Die Resultaten von Tomasiks Forschung wurden auf Englisch in der September 2020 Ausgabe des International Journal of Psychology herausgegeben. Einige Schweizer Medien wie der Tagesanzeiger haben auch darüber berichtet. Im Forschungsartikel stechen folgende drei Beobachtungen heraus:
- Erstens war das schulische Niveau der SchülerInnen innerhalb der Klassen vor dem Fernlernen jeweils einheitlich. Dies ist indirekt ein Lob an die Lehrpersonen, die es im normalen Klassenunterricht erfolgreich schaffen, die Lernziele auch in grossen Klassen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten bei den Schülern in etwa zeitgleich zu erreichen.
- Zweitens, während bei den SekundarschülerInnen keine grossen Unterschiede auszumachen waren, schossen die Unterschiede zwischen SchülerInnen der 3.-6. Klassen im Fernunterricht in die Höhe: manche erreichten ihre Lernziele zwar gleich schnell wie davor, aber sehr viele, die im Klassenzimmer wahrscheinlich noch mitgehalten hätten, machten im Fernlernen deutlich weniger raschen Fortschritt. Nur in Ausnahmefällen haben manche SchülerInnen ihre Lernziele im Fernunterricht schneller als im Klassenzimmer erreicht.
- Drittens haben die 3.-6.-Klässler im Fernlernen im Durchschnitt ihre Lernziele weniger als halb so schnell erreicht als davor. SekundarschülerInnen hingegen wurden im Erreichen ihrer Lernziele nur leicht gebremst.
Professor Tomasik relativiert: diese Art des Fernlernens wurde aufgrund des Zeitdrucks suboptimal eingeführt und es gab vor dem Hintergrund der weltweiten COVID-19 Pandemie auch viele andere Stressfaktoren, die zu schlechteren Testergebnissen der SchülerInnen geführt haben könnten. Die Resultate der wissenschaftlichen Forschung decken sich aber mit den Beobachtungen der Lehrpersonen. Die Schere zwischen guten und leistungsschwächeren Primarschülern wurde im Fernunterricht wohl weit geöffnet, und keiner weiss, wann die Kinder dies wieder aufholen können.
erfasst von
V. Hall Abraham, Elternrat