Wer kennt es nicht, das Gefühl von stürmischen Zeiten innerhalb der Familie? Auf die Kindsbeziehung bezogen kann der Sturm ausgelöst werden durch den morgendlichen Stress vor dem Kindergartenstart, die Hausaufgabenbewältigung in der Unter- und Mittelstufe, der Kampf um die Beschränkungen beim Smartphone oder der abendliche Ausgang in der Oberstufe.
Die Referentin Frau Gabriela Moser schilderte mittels bildhaften Alltagssituationen, teilweise aus ihrer eigenen Familie, wie man mit Konfliktsituationen im Sinne der „neuen Autorität“ umgehen kann und auf natürliche Weise die Autorität zugesprochen bekommt.
Das pädagogische Prinzip der „neuen Autorität“ haben Haim Omer und Arist von Schlippe als Antwort auf die heutigen Autoritätsprobleme entwickelt. Studien in Europa haben gezeigt, dass heute 5% bis 21% der Eltern von ihren Kindern physisch misshandelt werden. Bei 33% bis 93% der Familien existiert verbale und emotionale Elternmisshandlung. In den Medien begegnet man dem Begriff des Eltern-Burnouts.
Die Phase der Antiautoritären Erziehung hat gezeigt, dass Grenzen wichtig sind für Kinder und man ihnen die familiären Regeln und Werte nahebringen muss, um einen respektvollen Umgang in der Familie und der Gesellschaft zu erreichen. Eine autoritäre Erziehung mit Drohungen, Distanz und Strafe, wie man sie mindestens aus dem Struwwelpeter kennt, ist aber keinesfalls das Ziel. Die „neue Autorität“ basiert auf einer respekt- und vertrauensvollen Beziehung einem absolut gewaltfreien Widerstand, Präsenz und Transparenz sowie auf der Unterstützung im nahen Umfeld.
Respekt und Autorität erhält man vor allem dann, wenn man eine Bindung zu dem Kind hat. Das gilt gleichermassen für Eltern wie auch für Lehrer. Bei den von physischer und verbaler Misshandlung betroffenen Eltern ist in jedem Fall die Bindung zum Kind nicht (mehr) vorhanden.
Darum ist es ganz wichtig die kindliche Beziehung von Anfang an zu stärken und über die Pubertät hindurch zu pflegen. Dies geschieht mittels Anerkennung und Interesse.
Im Beispiel von Frau Moser ging es um das Thema Velo reparieren und zusammenbauen. Das Interesse des Kindes wurde durch gemeinsames Schauen von YouTube-Velo-Videos geteilt und Anerkennung über das Wissen und Können ausgesprochen. Wichtig ist es, gemeinsame Zeit zu verbringen.
Wenn man etwas beim Kind erreichen möchte erzielt man eher Erfolge, indem man erst das Kompliment zu dem gut stehenden Pullover ausspricht und erst anschliessend nach den Hausaufgaben fragt.
Neben der Bindung steht im Mittelpunkt der neuen Autorität, Haltung und Präsenz zeigen. Wenn Vereinbarungen des Kindes nicht eingehalten werden, so müssen wir dringend handeln und die Konsequenzen einhalten. Dies kann zum Beispiel das familiäre Abendessen um 18h sein. Wenn einem dies wichtig ist und das Kind sich nicht an die abgemachte Uhrzeit hält, sollte man dies nicht einfach durchgehen lassen. Im erwähnten Beispiel wurde das Kind schliesslich von der Mutter beim Freund zu Hause abgeholt. Dies war dem Kind unendlich peinlich. Es kam im Folgenden nicht mehr zu spät nach Hause.
Wichtig ist es, da zu sein und hin zu schauen, wenn es Probleme gibt, Verhaltensvorschläge des Kindes einfordern oder mit ihm aushandeln. Bei einer Eskalation sollte man niemals versuchen zu „gewinnen“ und in keinem Fall Gewalt anwenden noch tolerieren. Stattdessen auf die Deeskalation warten und später auf das Thema zurückkommen.
Ein weiterer Grundsatz der „neuen Autorität“ ist die Transparenz. Die heimliche Überwachung des kindlichen Smartphones ist zum Beispiel der falsche Weg. Er führt zu Vertrauensbruch. Als Vorschlag nennt Frau Moser das Ankündigen eines regelmässigen gemeinsamen Anschauens des Handys. Auf diese Weise kann man zudem auch ins Gespräch über aktuelle Themen kommen.
Damit die Erziehung im Sinne der „neuen Autorität“ funktionieren kann, ist es ganz wichtig, dass wir uns als Erziehende Unterstützung holen. Beide Eltern müssen am gleichen Strick ziehen und nicht gegenseitig die Autorität des anderen untergraben.
Alleinerziehende sollten sich Unterstützung aus ihrem nahen Umfeld holen, die eigene Mutter, einen guten Freund, eine gute Freundin. Bei Problemen mit der Schule sollte man unbedingt mit dem Lehrer sprechen und gemeinsam das Problem angehen. Es wird einfacher, wenn das Kind merkt, dass man nicht alleine dasteht, sondern ein Netz von Autoritäten vorhanden ist, das konsequent handelt.
Zum Abschluss gestand Frau Moser sehr menschlich ein, dass es bei all den Stürmen nicht immer gelingt, im richtigen Moment die Deeskalation abzuwarten und manchmal eben auch die nötige Zeit nicht vorhanden ist, um mit Verhandlungen Anerkennung und Interesse zeigen und das Kind auf den richtigen Kurs zu bringen. Aber auch das Eingestehen von Fehlern und die Versöhnungsgesten gehören zu einer guten Beziehung dazu.
Wen diese kurze Einführung in das Thema der „neuen Autorität“ neugierig gemacht hat, der kann sich im Internet unter diesem Stichpunktleicht weiterbilden. Einige spannende Beiträge sind hier unten angehängt.
https://www.fritzundfraenzi.ch/erziehung/elternbildung/was-ist-die-neue-autoritat?page=all
https://www.isi-netz24.ch/PDFs/Brochure%20Staerke-statt-Macht.pdf
Von V. Leimgruber